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Spieglein, Spieglein an der Wand – Wie steht es um Arbeit in diesem Land?

Das Spieglein, das auf diese Frage derzeit eine Antwort gibt, ist das musiktheatralische Projekt „Stadt der Arbeit“ (UA) von Volker Lösch und Ulf Schmidt. Im großen Saal des Musiktheaters im Revier (MiR) lässt das Stück sein Publikum derzeit mindestens so nachdenklich zurück wie John Strelecky seine Leserschaft mit „Das Café am Rande der Welt“. So verschieden die Werke auch sind, eines haben sie gemeinsam: die Auseinandersetzung mit dem Arbeitsbegriff und die Tendenz, dabei die Sinnhaftigkeit des Tuns zu hinterfragen. Besonders deutlich wird mir das im Gespräch mit Hendrik Willems, einem der Protagonisten.

Sinnstiftende Arbeit falle durchs Raster

Hendrik Willems ist – folgt man der Beschreibung von „Stadt der Arbeit“ – wohl einer der „Durchs-Raster-Gefallenen“. Arbeitslos war er im Grunde nie. Sein Verhältnis zu Arbeit aber ist markant: „Ich arbeite gerne – sinnstiftend. Was ich nicht mag, ist absolut kategorisiertes Arbeiten: einem Schema folgend, im selben Umfang, zur selben Zeit. Das ist für mich keine Arbeit, sondern Zeitverschwendung.“ In das derzeit vorherrschende Raster von Angestellten mit einer klassischen 40-Stunden-Woche passt er damit nicht. „Als ich gefragt wurde, ob ich etwas mit Arbeitslosigkeit zu tun gehabt hätte, musste ich erst verneinen. Bis ich dann festgestellt habe, dass ich nie im Sinne des Systems tätig war.“, so Willems. Besser als zunächst gedacht passte er so in die Runde unterschiedlichster Charaktere im Kampf gegen das vorherrschende Arbeitscredo – und wurde Teil des Projekts.

Hendrik Willems ist im ersten Akt von „Stadt der Arbeit“ einer der Insassen eines fiktiven Arbeitshauses.

 

Strukturwandel im Ruhrgebiet – „alles dieselbe Soße“

Auf Gelsenkirchen fiel die Wahl als Ort der Uraufführung nicht durch Zufall. Die Statistiken schrien nahezu danach, die Ruhrgebietsstadt als Paradebeispiel für die im Stück angekreidete Arbeitslosenquote herhalten zu lassen. Willems selbst stammt nicht aus Gelsenkirchen: „Ich komme aus Oberhausen. Das ist arbeitstechnisch aber nicht viel besser. Wir im Ruhrgebiet sind da eins – alles dieselbe Soße.“ Wer aber hat die Soße fabriziert? Das stehe im Zusammenhang mit dem Strukturwandel, sagt Willems: „Nach der letzten Zechenschließung wurde es verschlafen, rechtzeitig den Anschluss zu finden. Man hätte hier längst wunderschöne Dinge aufbauen können, weil diese Menschen hier wirklich was leisten können. Das haben sie in der Nachkriegszeit gezeigt.“ Das Ruhrgebiet hätte nach wie vor viel Potenzial, ist er sich sicher: „Es gibt viele Chancen hier im Ruhrgebiet. Darauf sollte man aufbauen.“
 

Viele Menschen im Ruhrgebiet sind von dem Strukturwandel betroffen – 15 davon blicken im ersten Akt von „Stadt der Arbeit“ auf ihre individuelle Geschichte zurück, die sie ins fiktive Arbeitshaus brachte.

 

Weggehen & Zurückkommen

Auf die Frage, was er Schülern in Hinblick auf ihre berufliche Zukunft raten würde, hat Willems eine klare Antwort parat: „Ausbildung – inwiefern auch immer. Bildung bringt innovative Ideen und Menschen, die sich mit entsprechendem Know-how daran beteiligen können.“ Universitäten gibt es in der Metropole Ruhr so einige – doch das ist für Willems nicht die Lösung: „Man bildet sich nicht Zuhause. Das wusste man schon früher und ging auf Reisen. Man muss weggehen, die Welt in ihren Grenzen kennenlernen und dann zurückkommen, um seine Inspirationen und Ideen hier in die Tat umzusetzen.“ So, sagt Willems, können hier im Ruhrgebiet langfristig und vor allem regional gute Arbeitsplätze geschaffen werden.

„Stadt der Arbeit“ & die Frage nach der Zukunft

Volker Lösch ist als Regisseur bekannt dafür, das wahre Leben auf die Bühne zu bringen. Willems hat den Eindruck, dass er das auch mit „Stadt der Arbeit“ geschafft hat: „Er hat jeden einzelnen Charakter herausgearbeitet. Jeder von uns hat die Chance, seine Geschichte so zu erzählen, dass sie auch hängenbleibt.“ Was aber kann das Stück bewirken? Gut recherchierte Fakten werden dem Publikum in einem Hagel aus Kritik an den Kopf geworfen. Das Gewissen der Zuschauer wird adressiert. Mit Emotionen. Mit Vorwürfen. Mit geballter Power. Ziel erreicht, denkt sich Willems: „Wenn unsere Zuschauer das MiR verlassen und wir ihnen eine neue Perspektive eröffnen oder gar ein bisschen Bewusstsein schaffen konnten – dann ist das schon was.“ Das gültige Arbeitscredo einer 40-Stunden-Woche, so Willems, sei nicht das Heilmittel für unsere Region.

Es hagelt Kritik: Im zweiten Akt werfen die Insassen dem Publikum im Chor einen Vorwurf nach dem anderen an den Kopf. 

 

Willems Ansichten – ein Bruchteil des Spiegleins

Gedanken zum Thema „Arbeit“ waren, sind und bleiben wohl sehr individuell. Vergleiche ich Willems Geschichte mit den weiteren, die in „Stadt der Arbeit“ erzählt werden, kann ich nicht unbedingt von Kongruenz sprechen. Zu dem im Theaterstück hervorgebrachten Vorwurf, viele Einzelschicksale in einen Topf zu werfen und ihnen den Stempel „arbeitslos“ aufzudrücken, passt das ziemlich gut. Dass „Stadt der Arbeit“ ins Politische geht, ist auch dem Interview zu entnehmen, das Deutschlandfunk Kultur mit Volker Lösch führte.

Das musiktheatralische Projekt ist dramaturgisch ausgezeichnet aufbereitet. Neben den Geschichten der Protagonisten bezieht es amtliches Regelwerk und musikalische Werke mit Bezug zum Thema Arbeit ein – und zwar mit unterhaltsamer Ironie. Besonders beeindruckend ist zweifelsohne die Leistung der Laiendarsteller. Obwohl – oder gerade weil – die Inhalte diskutabel sein mögen, stellt der Besuch von „Stadt der Arbeit“ (UA) im MiR wohl für jeden einen bereichernden Perspektivwechsel dar.


Nach der Vorstellung verlassen die Zuschauer von „Stadt der Arbeit“ das Musiktheater im Revier – diskutierend, erzählend, hinterfragend. Das Wort „Arbeit“ schwingt dabei kontinuierlich mit.


Stadt der Arbeit (UA)

von Volker Lösch und Ulf Schmidt | Ein musiktheatralisches Projekt mit Gelsenkirchener Bürger*innen 

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen


Der Artikel „Spieglein, Spieglein an der Wand – Wie steht es um Arbeit in diesem Land?“ wurde von unserer RuhrBühnen-Bloggerin Maren Behrendt verfasst. 

Weitere Artikel, mehr zum Blog, dem Projekt und unseren RuhrBühnen-Blogger*innen gibt es hier.

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