nach Georg Büchner
Georg Büchners Dramenfragment „Woyzeck“, das 1837 nach seinem Tod gefunden wurde, ist einer der folgenreichsten Texte der deutschsprachigen Theaterliteratur. Der Soldat Woyzeck ist darin ein armer von allen abhängiger Mensch, der scheinbar rechtlos Drangsalierung und Herabsetzungen ertragen muss. Die Figuren – die nur so heißen wie ihre Funktion – Doktor, Hauptmann und Tambourmajor – demütigen Woyzeck ohne jede Empathie.
Er erträgt enorm viel, auch eine fürchterliche Erbsendiät, die ihn zusätzlich erschöpft und halluzinieren lässt. Schließlich glaubt er, dass er den Ehebruch seiner Frau Marie durchschaut hat. Aus Eifersucht ermordet Woyzeck die einzige Figur, über die er Macht ausüben kann.
Die lose Folge von Szenen, die Büchner zu Lebzeiten nicht zu einem abgeschlossenen Drama formen konnte, stellt radikal die Frage nach der Verantwortung für Gewalt, insbesondere der Gewalt, die der untersten Klasse angetan wird. Ein Femizid am Schluss ist dabei ein unangenehm bekanntes Muster. Es wird vom Polizeidiener im Stück so kommentiert: „Ein guter Mord, ein ächter Mord, ein schöner Mord, so schön als man ihn nur verlangen thun kann, wir haben schon lange so keinen gehabt.“ Diesen zynischen, verstörenden Kommentar kann man als Beschreibung einer kaputten, diskriminierenden und misogynen Gesellschaft verstehen. Aus ihr ausbrechen zu wollen, die Gewalt eben nicht gegen die liebsten Menschen zu richten, sich gegen diese Systematik zu wenden, diesen Wunsch könnte man vielleicht einfach Notwehr nennen.
Der junge Theaterregisseur Caner Akdeniz befragt mit seiner Inszenierung einen klassischen Text auf seine Aktualität in einer Gesellschaft, die sich ihrer Exklusionsmechanismen gerade erst nach und nach bewusst wird. Diese Gesellschaft erhält dabei immer wieder Nachhilfe von denjenigen, die gelernt haben aus ihrem Lebensleid street credibility, fame und Profit zu generieren. „Chabos wissen, wer der Babo ist“ rappt Haftbefehl und behauptet damit unbändige Stärke in einer Welt, die dieser Kunstfigur wohl keine Schwäche verzeiht. Wie weit ist diese Welt von unserer entfernt?
Mehr anzeigen Weniger anzeigen
nach Georg Büchner
Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle Akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum
Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle Akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum