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Ein Beitrag von Alexandra Hekel

Eine amüsante „Theater-Experience“:
„Die Not steht ihr gut – eine gewinnorientierte Trash-Komödie“

Mit ihrem ersten selbstgeschriebenen Stück „Die Not steht ihr gut“ bringt Lola Fuchs ein knallig pinkes und lautes Feuerwerk an Gesellschaftskritik auf die Studio-Bühne des Schauspiel Dortmund. Schrill, ein wenig überdreht, vor allem aber köstlich unterhaltsam ist die Geschichte zweier Gründerinnen, die sich mit ihrer Coaching-Agentur für „Feminismus und so“ einsetzen, jedoch jeder politischen Debatte gekonnt aus dem Weg gehen. Das Power-Duo in Haute Couture, das definitiv mehr Followerinnen und Werbekooperationen als Grips, Anstand oder Qualifikationen aufweisen kann, nimmt das Publikum mit auf eine „amaaazing journey“ in ihre Welt: Eine Welt der Selbstoptimierung und Coaching-Kultur, in der allein das richtige Mindset zum schnellen Geld führt und 280 Zeichen reichen, um Existenzen ins geheimnisvolle Dickicht zu befördern. Ein Stück, das Spaß macht und eine wichtige Frage stellt: Ist Feminismus in einem kapitalistischen Wettbewerbssystem überhaupt möglich?

 

Die Girls Bosses Sharon und Dana sind vor allem Expertinnen der Hochstapelei


Wer Erfolg haben möchte, der darf sich eben nicht „abgeben wie ne´ Jacke an nem´ Garderobenständer!“ Frau muss selbst aktiv werden, Verantwortung übernehmen, den richtigen Vibe finden, „growen“, sich selbst heilen, lieben und verwirklichen. Dazu braucht es lediglich ein paar Coaching-Sessions im Girls Boss Office. Dann fluppt das mit dem Erfolg schneller als die Suche nach einem Rabattcode bei Instagram.

Das zumindest verkaufen Sharon und Dana ihrer treuen Netzcommunity, die jederzeit ehrfürchtig an den von Lipgloss schimmernden Lippen der Girls Bosses hängt. „From Zero to Hero“ lautet das Motto der Agentur, mit der die BFFs (Best Friends Forever) erfolglose Frauen wieder fit für den Arbeitsmarkt machen möchten.
 „Free Spirit“ Dana, gespielt von Nika Mišković, ist eine bemerkenswert naive Blondine, mit kunstvoll toupierten Haaren, die sich für keine Produktvermarktung zu schade ist. Sharon, gespielt von Linda Elsner, ist taffer, spitzzüngig und greift mit ihren knallroten Lederhandschuhen stets nach „power, money und glory“. Expertinnen sind die beiden vor allem auf dem Gebiet der Hochstapelei.


Alles eine Frage des „richtigen Mindsets“

Ob die Erfolgsquote ihrer Coaching-Konzepte wirklich nachweislich bei 89 Prozent liegt? Ob das mit dem Bundesverdienstkreuz nicht doch ein wenig geflunkert ist? Den Followerinnen ist das recht herzlich egal. Sie suchen Vorbilder, um schöner, leistungsfähiger, glücklicher, ja einfach besser zu werden. Wer kennt das Bedürfnis, stets die beste Version seiner selbst zu schaffen, heutzutage nicht?


Auch die unscheinbare Gisela, gespielt von Lola Fuchs, möchte ihr Leben, ihren Lifestyle durch ein exklusives Coaching im pinken Girls Boss Office grundlegend ändern. Was für eine „Wahnsinnsexperience“, was für ein Spektakel, live verfolgbar über YouTube. Leider hat die Gute nicht genügend an ihrem Körpergeruch gearbeitet, wie Langzeitpraktikant Dominik auf Befehl seiner Bossinnen erschnuppert. Dass der junge unterbezahlte Intellektuelle sich lieber mit seinen Träumen einer sozialistischen Welt als mit fremden Achselhöhlen auseinandersetzen würde, ist ihm anzusehen. Pech für Gisela. Das richtige Duschgel kaufen, dem eigenen Körper etwas Gutes tun, sich selbst lieben – es hätte so einfach sein können, oder?

 

„It´s nothing personal, Baby. Business is Business"

Wie schnell es „From Hero to Zero" heißen kann, erfahren Dana und Sharon schließlich am eigenen durchgestylten Leib. Trampeln die Girls Bosses mit ihren High Heels etwa auf dem Selbstwert ihrer Kundinnen herum, um Kapital daraus zu schlagen? Das jedenfalls lässt ein pikanter Tweed vermuten. Die Community ist nicht „amused". Investor Charlie, ein Wirtschaftsliberaler mit geföhnter Trump-Friese und Zahnpasta-Lächeln, das weißer ist als seine Sneaker, kommt auf seinem Skateboard angesaust und beendet die Zusammenarbeit. Die „lineare Erfolgsgeschichte", gespielt von Christopher Heiseler, trennt sich von „überschüssigem Fett", um zukünftig mit einer geheimnisvollen Brüderhorde zu pitchen und eine „coole, sexy" Gesellschaft zu kreieren. Blöd nur, dass die vermeintlich unabhängigen Karrierefrauen abhängiger von ihm sind als von ihrer Kosmetikerin. Aber hey, Probleme sind nur dornige Chancen!

 

Investor Charlie, eine „lineare Erfolgsgeschichte“

Sich einen Job bei Indeed suchen, im Penny-Markt einkaufen und Schweißflecken auf Camp-David-Shirts im Regionalzug ertragen? Das kommt für Sharon und Dana nicht in Frage. Gemeinsam mit Dominik begeben sie sich auf eine abenteuerliche „Journey“ ins Dickicht, einer surrealen Fantasiewelt des Versagens, um ihr Scheitern per Live-Stream zur Show zu machen.

 

Wichtige Themen der aktuellen Generationen

Lola Fuchs, die nicht nur Autorin ist, sondern auch Regie führte und als Darstellerin auftritt, greift mit ihrem Stück angenehm humorvoll und ohne erhobenen Zeigefinder aktuelle Themen auf, die besonders die jüngeren Generationen beschäftigen dürften. Wie gelingt es in Zeiten von Optimierungswahn, Instagram-Filtern, Saftkuren, Fitness-Challenges und komplexen Krisen Orientierung zu finden? Was bedeutet Erfolg? Wie ist Feminismus zu definieren? Und ist das „richtige Mindset“ wirklich die Lösung all meiner Probleme?
Ob die wenig tiefgründigen Charaktere aus „Die Not steht ihr gut“ geeignete Vorbilder sind, um Antworten zu geben – da dürften dem Publikum im Theater schnell berechtigte Zweifel kommen. Wirken die Figuren auf den ersten Blick wenig sympathisch, so wirken sie auf den zweiten Blick noch weniger charmant. Dennoch – mit überzeugender darstellerischer Leistung und herrlich witzig-bösen Dialogen schafft es das Ensemble, dass die Zuschauenden mitfiebern, mitfühlen und sich dabei köstlich amüsieren.

 

Sharon und Dana in ihrem pinken Girl Boss Office

 

Ein Ensemble, dem die Freude auf der Bühne anzumerken ist

Linus Ebner in der Rolle des Langzeitpraktikanten Dominik, der gleichzeitig als Erzähler auftritt und mit dem die knapp zweistündige Inszenierung beginnt, schafft es mit urkomischer Mimik sowie drolligem, triefendem Selbstmitleid, das Publikum von der ersten Sekunde an mitzureißen. Wie sollte man mit dem Marxisten in pinker Hotel-Pagen-Uniform nicht mitfühlen? Und auch den anderen Ensemblemitgliedern ist die Freude auf der Bühne, dramatisch sowie überspitzt mit Klischees, Rollenbildern und Vorurteilen zu spielen, anzumerken. Die Brüderhorde, ausschließlich dargestellt von Frauen, ist vielleicht ein wenig zu bemüht, toxische Männlichkeit zu verkörpern.

Dass manche Pointe ein wenig plump daherkommt, bereitet dem Vergnügen beim Rezipieren des skurrilen Theaterstücks keinen Abbruch. Ebenso wenig der Eindruck, dass der Erzählfaden mit fortschreitender Handlung nach und nach ein wenig ausartet. Die Idee, die Darstellenden im zweiten Teil des Stücks live mit der Kamera im „Dickicht“ hinter dem Bühnenvorhang zu begleiten, während das Publikum das Geschehen auf einem Bildschirm verfolgt, ist durchaus spannend. Die Interaktion zwischen Ensemble und Zuschauenden büßt hier allerdings an Intensivität ein.

 

Wer versagt, kommt ins Dickicht – so auch Gisela

 

Es braucht nicht immer die große Bühne für ein besonderes Theatererlebnis

Nichtsdestotrotz beweist Lola Fuchs, dass es nicht immer eine große Bühne braucht, um ein besonderes Theatererlebnis zu schaffen. Im Gegenteil, die persönliche, ganz eigene Atmosphäre der kleinen Spielstätte verstärkt das Gefühl, komplett in der bizarren Welt von Sharon und Dana zu versinken, die der Welt vor den Türen des Studios erschreckender-weise in mancher Hinsicht gar nicht so unähnlich ist. Das Publikum wird zum Teil der Inszenierung, schlüpft in die Rolle der sensationslustigen YouTube-Community, allerdings mit einem entscheidenden Vorteil: Die Girls Bosses auch zu erleben, wenn sie offline sind. Menschen abseits der Kamera kennenzulernen, kann eine wahre Offenbarung sein, wie sich zeigt.

Sind Kapitalismus und Feminismus miteinander vereinbar? Die Inszenierung hat nicht den Anspruch, Antworten zu liefern, sondern viel mehr, zu hinterfragen, den ein oder anderen Denkanstoß zu geben, und vor allem zu unterhalten. Ein Stück, das sich definitiv „zu experiencen“ lohnt.

 


Die Not steht ihr gut

Schauspiel Dortmund

Geschrieben und inszeniert von Ensemblemitglied Lola Fuchs

Informationen, Termine und Tickets gibt es hier.

 


Der Artikel ,,Eine amüsante 'Theater-Experience'.
'Die Not steht ihr gut – eine gewinnorientierte Trash-Komödie'" wurde von unserer RuhrBühnen-Bloggerin Alexandra Hekel verfasst. 

Weitere Artikel, mehr zum Blog, dem Projekt und unseren RuhrBühnen-Blogger:innen gibt es hier.

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