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Ein Beitrag von Alexandra Hekel

„Unter Grund“ am Schauspiel Dortmund- „Wer bin ich denn nun, wenn ich kein Bergmann sein kann?“

Der Bergbau hat das Ruhrgebiet nachträglich geprägt. Die harte Arbeit unter Tage, Kohlenstaub und Kumpelschaft waren lange Zeit identitätsbestimmend für den „Kohlenpott“, für die Menschen der Region. 2018 hieß es jedoch „Schicht im Schacht“ für den Steinkohlebergbau in Deutschland. In Ihrem Stück „Unter Grund“ stellt Sanja Mitrović die Frage, welche Bedeutung ein solcher Umbruch für eine Gesellschaft hat und blickt dabei nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft – auf sehr informative und eindringliche Art und Weise. Wer allerdings Bergbau-Nostalgie in dieser finsteren Dystopie am Schauspiel Dortmund erwartet, dürfte enttäuscht werden.

 

Ein Bergmann vor seinem letzten Arbeitstag in der Zeche


Es ist das Jahr 2018. Ein Bergmann sitzt nachdenklich in seiner gediegenen, schlicht eingerichteten Wohnung, bepflanzt still, in sich gekehrt kleine Blumentöpfe. Heute ist sein letzter Arbeitstag – denn die letzte aktive Zeche Prosper-Haniel in Bottrop schließt. An den dunklen Holzwänden hängen ein weißer Arbeitshelm sowie ein Bild der heiligen Barbara, der Schutzpatronin aller Bergleute. „Das ist mein Vater. Mein Vater war ein Bergmann. In einem Land mit langer Bergbautradition“ ertönt die Stimme seiner Tochter aus dem Off. In einem langen Monolog erzählt sie von ihrer Kindheit, ihrem Traum davon, einen eigenen Schacht im Garten zu haben, von ihrem Papa in Arbeitsuniform, davon, dass er nie das Meer gesehen habe, von dem Familienhund „Wuff“, dem Duft nach frisch gewaschener Wäsche und ihrer Angst, ihrem Vater könne im Schacht etwas passieren. Auf der Bühne findet kaum Handlung statt, nichts lenkt von den Erzählungen, den Erinnerungen der Tochter ab.


Authentische Einblicke in das Familienleben ehemaliger Bergleute


Die serbische Autorin und Regisseurin Sanja Mitrović schrieb das Stück auf Basis von Recherchen und Interviews mit ehemaligen Bergmännern. Die langen Textpassagen sind langatmig, gleichzeitig jedoch hoch authentisch, geben sie doch einen direkten Einblick in das Familienleben der damaligen Bergleute. Ebenso informativ und intensiv ist der Moment, in dem die Erde sich mit metallischer, bleierner Stimme an den Bergmann, das Publikum wendet: „Menschen wollen aus mir das schöpfen, was sie als wertvoll erachten. Sie suchen mineralische Ressourcen, Kohle, Kupfer, Gold. Menschen glauben zu wissen, was wertvoll sei, Menschen messen den Wert mit Geld.“ 1.647.257.897.556 Male habe sie sich bereits gedreht. Wird sie sich ewig weiterdrehen? 

 

Im Jahr 2040 ist die Erde unbewohnbar, die Menschen müssen in die Schächte.


Ein Bergmann bekommt wieder eine Aufgabe


Die Zeit springt. Nun haben wir das Jahr 2040. Das Bühnenbild verändert sich, dreht sich wie die Erde, zeigt kohlschwarze Schachtwände. Die Erdoberfläche ist nicht mehr bewohnbar. Schuld ist der Klimawandel. Wer es sich leisten kann, reist auf den Mars. Die Übriggebliebenen müssen sich auf ein Dasein unter Grund vorbereiten. Der Bergmann hat wieder eine Aufgabe: Er gibt sein Wissen über das Leben in den Schächten an seine Tochter, eine frustrierte Aktivistin, einen Bauern und einen prinzipienlosen Minister weiter. 


Viele spannende Fakten, wenig Emotionen


Sanja Mitrović bringt mit dem Stück „Unter Grund“ ein hochaktuelles Thema auf die Bühne des Schauspiel Dortmund. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir Verlust als proaktiven Impuls nutzen können - ein anregender und interessanter Ansatz. 
Die düstere Inszenierung hat starke Momente. Wenn die Erde plötzlich eine Stimme bekommt, gehen ihre Klagen, ihre Vorwürfe unter die Haut. Wenn der Bergman davon erzählt, wie sein Arbeitstag um fünf Uhr morgens begann und er mit den anderen Kumpels gemeinsam in den Schacht hinuntergefahren ist, bepackt mit vier Kilogramm an Ausrüstung, erzeugt das starke Bilder – von Zusammenhalt, Solidarität, aber auch von Gefahren. 

 

Ein Bergmann hat wieder eine Aufgabe: Er trainiert die Menschen für ein Leben unter Grund.


Und dennoch fehlt es in vielen Passagen an Dynamik, Handlung und Emotionen. Es gibt viel Text aus dem Off. Der Spannungsbogen ist flach. Die Charaktere, die nacheinander Fakten zum Klimawandel herunterspulen, fungieren lediglich als gegenwärtiges Ebenbild der Gesellschaft. Sie wirken unnahbar, es fällt schwer, mit ihnen mitzufühlen, sich in sie hineinzuversetzen. Das liegt keinesfalls an der darstellerischen Leistung der Ensemblemitglieder, die ist mehr als überzeugend, sondern vor allem an der Konzeption der Inszenierung. 


Gänsehaut-Moment am Ende 


Am Ende des Stücks gibt es dann aber doch noch einen Gänsehaut-Moment. Zum großen Finale sieht das Publikum auf großer Leinwand ein Video, in dem mehrere Bergmänner bei der Zechenschließung mit Tränen in den Augen das Steigerlied singen: „Glückauf, Glückauf; der Steiger kommt; und er hat sein helles Licht bei der Nacht, und er hat sein helles Licht bei der Nacht; schon angezünd't, schon angezünd't. angezünd't“ ertönt es laut in dem schönen Theatersaal des Schauspiel Dortmund. Ein ergreifender Moment, der berührt. 

 


Unter Grund

Schauspiel Dortmund

von Sanja Mitrović

Informationen, Termine und Tickets gibt es hier.

 


Der Artikel ,„Unter Grund“ am Schauspiel Dortmund- „Wer bin ich denn nun, wenn ich kein Bergmann sein kann?“' wurde von unserer RuhrBühnen-Bloggerin Alexandra Hekel verfasst. 

Weitere Artikel, mehr zum Blog, dem Projekt und unseren RuhrBühnen-Blogger:innen gibt es hier.

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