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Wem gehört die Stadt? Und wem die Zukunft? 

Christine Lang, Volker Lösch und Ulf Schmidt bringen mit „AufRuhr“ ein modern inszeniertes Stück mit klarer Botschaft auf die Bühne des Schauspiel Essen. Lea Wunderlich berichtet von ihrem Vorstellungsbesuch im Grillo-Theater.


Janina Sachau (Mitte) erscheint als Investorin Van Velt geradezu übermächtig. 

Es geht um nichts weniger als um die Verteidigung des eigenen zu Hauses, um das sich zur Wehr setzen gegen den Staat und geldgierige Investor*innen – oder kurz gesagt: Es geht gegen den Kapitalismus. Der Essener Norden soll abgerissen und im Zuge dessen die Einwohner*innen umgesiedelt werden. „Essen 5.0“ heißt das Megaprojekt, das von Oberbürgermeister Kühn (Stefan Migge) als ökologischer sowie sozialer Meilenstein präsentiert wird. Als Mehrkosten durch notwendige Untergrundsanierung auftauchen, ist die Investorin Van Velt nicht bereit diese zu tragen. Sie stellt klar: Entweder mehr Geld für das Projekt und keine Sozialwohnungen oder kein Geld und keine Sozialwohnungen. Was bleibt da anderes übrig, als sich dem Kapital zu beugen?

Nicht mit uns

Auf der anderen Seite stehen die Bewohner*innen des Essener Nordens, repräsentiert von der Deutsch-Kurdin Adile (Anna Bardavelidze) und dem ehemaligen Bergarbeiter Grube (Jan Pröhl). Unterstützt werden sie von Lena (Trixi Strobel), der Tochter der Bauunternehmerin Haussmann (Laura Sundermann). Sie wollen nicht zulassen, dass „die da oben“ über ihre Köpfe hinweg entscheiden und ihnen ihr zu Hause wegnehmen. Nach der ersten Zwangsräumung erobern sie die Wohnungen zurück und halten sie besetzt. Dann führt eins zum anderen: Strom- und Wasserversorgung werden abgeschaltet und weitere Versuche unternommen, die Besetzer*innen zum Aufgeben zu zwingen, die allesamt scheitern. Schließlich kulminieren die Ereignisse in einer Art Bürgerkrieg um den Essener Norden. Beide Seiten sind bewaffnet, es fehlt nicht mehr viel bis zur vollständigen Eskalation. Doch dann schafft es der Hacker Perry (Dennis Bodenbinder) noch rechtzeitig, die Kommunikationsleitungen der Polizei zu kappen. Die Bewohner*innen des Essener Nordens gehen als Sieger hervor und rufen die „Autonome Republik Ruhr“ aus. 

Ein multimediales Spektakel  

Passend zur Forderung nach mehr politischer Teilhabe wurde der Saal des Grillo-Theaters zur Raumbühne umgestaltet: Ringsherum an den Wänden stehen insgesamt zehn Leinwände, die unterschiedliche Funktionen inne haben – Mal dienen sie als Erweiterung der Bühne, wenn Van Velt aus einem Hubschrauber heraus wortwörtlich auf den ärmeren Norden herabblickt oder Lena auf ihrem YouTube-Kanal über linke Ideen aufklärt. Ein anderes Mal geben sie jungen Aktivist*innen einen Platz, ihre Sicht der Dinge auf die politische Lage Deutschlands zu präsentieren. Das alles verfolgen die Zuschauer*innen von ihren drehbaren und wenig bequemen Hockern aus, die ihnen eine 360°-Sicht ermöglichen. (Foto: Dennis Bodenbinder, Trixi Strobel, Jan Pröhl und Anna Bardavelidze agieren direkt zwischen den Zuschauerreihen.)

Neben der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich wird ein weiterer Aspekt der Kapitalismuskritik thematisiert: die unzureichenden Maßnahmen gegen den Klimawandel. Hier kommen die Aktivist*innen auf den Leinwänden ins Spiel, die das ewige „Weiter so“ der Politik anprangern. Sie alle sind zwischen zehn und dreißig Jahren alt und gehören damit zu einer Generation, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein wird. Unter durchdachte Meinungsäußerungen mischen sich jedoch auch hin und wieder recht naive Ansichten der Kinder. So stellt ein Mädchen die Überlegung an: „Wenn die Politiker zugeben würden, dass sie nichts machen, würden sie auch nicht mehr gewählt werden, sondern jemand, der etwas macht.“ 

Kompromisslos gegen den Kapitalismus 

Während „AufRuhr“ es schafft, Film und Theater miteinander zu vereinen, scheint dies für die beiden Parteien im Stück nicht möglich zu sein. Keine Seite ist zu einem Kompromiss bereit, zu einem ergebnisorientierten Dialog kommt es nicht. Genau das sorgt am Ende für den großen Knall: Ein Polizeiaufgebot marschiert in den Essener Norden ein; auch Lena, Adile und ihre Mitstreiter*innen greifen zu den Waffen. Auf den Leinwänden sieht man sie, wie sie mit Maschinengewehren in den Raum zielen. Es herrscht große Aufregung auf der Bühne, alles wirkt überladen und irgendwie überzeichnet. Dazu trägt auch der Auftritt des Polizeikommissars Reich (Philipp Noack) mit einer Bazooka über der Schulter bei.

Immer mehr drängt sich die Frage auf: Was soll und kann ich ernst nehmen? Und dann ist die „Schlacht um Altendorf“ vorbei, man möchte fast sagen, sie ist endlich vorbei. Adile, Lena, Grube und Perry haben sich erfolgreich gegen den Staat behauptet und den Essener Norden als zu Hause von zahlreichen Menschen verteidigt. Die Botschaft ist eindeutig und lässt wenig Spielraum für Interpretationen: Der Kapitalismus in seiner jetzigen Form muss weg und durch eine basisdemokratische Räterepublik ersetzt werden. 


Auch ein großes Polizeiaufgebot kann den Widerstand nicht stoppen. 

Gerade weil die Botschaft eindeutig ist, hätte das mehr als drei Stunden lange Stück auch mit weniger Zeit auskommen können. Warum muss beispielsweise am Ende, nachdem die Protagonist*innen ihren Schlussapell beendet haben, erneut eine Aktivistin zu Wort kommen, die ein weiteres Mal erklärt, weshalb das jetzige System ihrer Meinung nach nicht funktioniert und deshalb durch eine Räterepublik ersetzt werden muss? Hier hätte das Vertrauen in die Aussagekraft des eigenen Stückes durchaus größer sein können. 

Mein Fazit 

Das Aufeinandertreffen von Film- und Theaterschauspiel verleihen „AufRuhr“ eine moderne und erfrischende Komponente. Dazu ist das Thema hochaktuell, unterstrichen von den Stimmen der engagierten Aktivist*innen. Das Stück zeigt eindrücklich, was passieren kann, wenn die Spaltung der Gesellschaft immer weiter vorangetrieben wird und ruft zur Wehrhaftigkeit auf. Es bleibt die Frage, wie diese Wehrhaftigkeit aussehen kann, denn Radikalisierung und Waffengewalt sind nicht der einzige und schon gar nicht der beste Weg. 
 


AufRuhr

von Christine Lang, Volker Lösch und Ulf Schmidt
Theater und Philharmonie Essen, Schauspiel Essen (Grillo-Theater)

Mehr Informationen, Termine und Tickets gibt es hier.


Der Beitrag „Wem gehört die Stadt? Und wem die Zukunft?“ ist von unserer RuhrBühnen-Bloggerin Lea Wunderlich verfasst worden.

Mehr über den Blog, das Projekt und unsere RuhrBühnen-Blogger*innen gibt es hier.

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