Mieczysław Weinberg
Der lebendige Puls eines jeden herrschaftlichen Haushalts schlägt im Untergeschoss. Ob im Roman des britischen Literaturnobelpreisträgers Ishiguro "Was vom Tage übrig blieb", im Spielfilm "Gosford Park" oder der Kultserie "Downton Abbey": Die "below stairs", die Dienstboten, sind der eigentliche Star. Das gilt auch und ganz besonders für die mit charmant-schrägem Witz erzählte Opernversion "Masel Tov!", für die Scholem Alejchem, der Schöpfer der "Anatevka"-Geschichte, mit seinem gleichnamigen Theaterstück die Vorlage lieferte.
Im hochwohlgeborenen Haus einer jüdischen Dame in Odessa steht anno 1899 die Verlobung der Tochter an, derweil im Souterrain bei gleichzeitiger Vorbereitung des Festessens gesehnt, geflirtet und deftig gelästert wird. Ein Buchverleiher gewinnt bei zunehmendem Tratsch- und Alkoholpegel schließlich das Herz der einsamen Köchin mit sozialistischer Literatur, Charme und dem Vorschlag, eine Kapitalgemeinschaft zu gründen. Und Chaim, der Diener der Nachbarherrschaft, der an dieser kaum ein gutes Haar lässt, macht dem Dienstmädchen Fradl, die seine Annäherungsversuche zunächst noch mit „Hau ab!“ quittiert, einen erfolgreichen Heiratsantrag. Denn das Glück, das ist für alle da, da kann die Brautmutter von oben granteln, was sie will. Masel Tov!
Der jüdisch-polnische Komponist Mieczysław Weinberg ("Die Passagierin"), dessen Leben sich wie eine Biografie des 20. Jahrhunderts und seiner Totalitarismen liest, zeigt sich in dieser Oper von seiner heiteren Seite: Zwischen Vaudeville und tragikomischen Sehnsuchtsmomenten spielt er bissig-humorvoll mit seinen musikalischen Wurzeln, Klezmermelodien klingen ebenso an wie aus der jiddischen Musiktradition heraus intonierte Walzer-, Polka- und Galoppformen. Gewidmet ist die Partitur indes seinem Lehrer und Freund Dmitri Schostakowitsch, dessen Liebe zur Drastik er in seiner unverwechselbar farbenreichen Tonsprache übernommen hat.
Komische Oper in zwei Akten (1975) in der Orchesterfassung von Henry Koch (2012)
Libretto vom Komponisten nach Scholem Alejchems Theaterstück "Masel Tov" in der deutschen Adaption von Ulrike Patow
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