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Ein Interview von Karoline Klotsch und Steffi Evers

Hedwig and The Angry Inch — Ein Interview mit Regisseur Carsten Kirchmeier

Karoline Klotsch & Steffi Evers (K/E): Warum hast du dich für das Stück entschieden?

Carsten Kirchmeier (CM): „Hedwig and the Angry Inch“ ist ein Stoff, auf den ich kurz nach seiner Uraufführung aufmerksam geworden bin. Die Musik hat mich direkt angesprochen, die Beschäftigung mit dem Thema folgte erst später. Dabei wurde mir schnell klar, dass es ein Stück ist, das ich unbedingt einmal umsetzen wollte. Im Zentrum steht eine Figur, die Schicht für Schicht einen Panzer ablegt und man merkt, dass dahinter ein Mensch steckt, der ein ziemliches Trauma hat.

Ich glaube bei dem Stück sitzt man am Anfang drin und denkt: Wozu bin ich hier gebeten? Es ist Teil der Dramaturgie des Stückes, dass sich erst zum Schluss alles aufklärt.

Foto: Auf der Bühne im Kleinen Haus des Musiktheater im Revier rockt Alex Melcher als Hedwig die Bühne.

 

K/E: Welche Themen spricht das Musical an?

CM: Einen besonderen Stellenwert hat das Thema Macht. Eine Macht, die sich manchmal in einer pervertierten Art äußert, wie zum Beispiel in der Erniedrigung eines/einer Anderen. Dahinter steht für mich jedoch die wirkliche Macht, die das Kennenlernen eines Gegenübers bedeutet. Es ist quasi die positive Version von Macht, mit jemand anderem vollkommen zu sein. Bei anderen Themen weiß man natürlich nicht, ob das jetzt eine glaubwürdige Geschichte ist oder eine Geschichte, bei der das Publikum einfach schlucken soll.

 

Das ist so ein Stück, das einen intimen Rahmen braucht. Ein bisschen zurück zu diesem Off-Broadway was es war.

 

K/E: „Hedwig“ ist eigentlich ein amerikanisches Stück. Musstest du bei der Inszenierung viel ändern?

CM: Eigentlich nicht. Wir haben uns sehr nah ans deutsche Textbuch gehalten. Die DDR-Thematik resultiert aus der Stationierung von John Camerons Vater in Berlin. Bestimmt haben die antijüdischen Kommentare von Hedwig gegenüber Yitzhak aufgrund der deutschen Geschichte in der Übersetzung eine andere Wucht als im amerikanischen Original. Dafür bedeutet für den „amerikanischen“ Yitzhak das Stichwort „Immigration“ etwas anderes, da die Angst vor der Einwanderungsbehörde eine größere ist. Es sind kleinere Momente, die in Deutschland und Amerika unterschiedlich konnotiert sind. Bei einigen Sachen schluckt man hier bestimmt eher als darüber zu lachen. Aber das, glaube ich, ist auch dieser Figur geschuldet, die Mitchell erfunden hat. Hedwig ist natürlich eine sehr drastische, schrille, extrovertierte Figur und bedient sich eben auch eines extremen Humors.

 

K/E: Warum sind manche Songs auf Deutsch und manche auf Englisch?

 

CM: Es war eigentlich relativ klar für mich, dass ich nicht alle Songs ins Deutsche übersetzen möchte. Ich bin durchaus dafür, dass man einen Song übersetzen kann und sollte, aber nicht bei dieser Art von Musik. Zudem befinden wir uns in einer Konzertsituation. Die Übersetzung ist in vielen Dingen auch nicht wirklich gut und wechselt an manchen Stellen willkürlich zwischen Deutsch und Englisch. Für mich war es wichtig, dass der Titel Origin of Love auf Deutsch gesungen wird, weil er das essenzielle Thema des Abends beinhaltet und Exquisit Corpse zum Schluss wird ein deutsches Punklied, das Hedwigs Gefühlszustand und Lebensweg auf den Punkt bringt. Alle anderen Songs erklären sich durch den Kontext. Da ist man, glaube ich, musikalisch dabei und muss nicht jedes Wort verstehen — der Inhalt erklärt sich einfach durch die Situation. Man kann dem Publikum auch durchaus etwas zutrauen. Als ich mit Alex über die Umsetzung gesprochen habe, wollte er auch bei der Originalsprache bleiben.

Hedwigs Bonus ist, dass sie sich selbst als „Freak“ sieht. Daher hat sie die Freiheit, sich in der Darstellung extremer Mittel zu bedienen, wie zum Beispiel die misslungene Operation und die offene Wunde mit Blut zu illustrieren.

Foto: Um die Operation zu verbildlichen, schmiert Nina Janke Alex Melcher rote Farbe zwischen die Beine.

 

K/E: Alex Melcher und Nina Janke sind beide Gastdarsteller*innen. Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit mit Externen im Gegensatz zum Ensemble?

CM: Die Arbeit ist erstmal die Gleiche. Natürlich, Ensemblemitglieder kennt man. Alex Melcher kannte ich davor nur von der Bühne, habe ihn aber direkt als ideale Besetzung für die Rolle empfunden. Als ich ihn kontaktiert habe, waren wir direkt auf einer Wellenlänge. Es gibt ja immer wieder Gäste, die man nicht kennt, und gerade bei so einem Stück hofft man natürlich, dass man gut zusammenarbeiten kann. Vor allem, weil man eine sehr intensive Zeit miteinander verbringt. Bei Hedwig gibt es keine Nebenschauplätze, keinen Chor beispielsweise, den man noch inszenieren muss, oder andere Figuren. Und daher ist die Zeit bei so einem minimalistischen Stück einfach intensiver.
Unabhängig davon ob man es jetzt mit einem Gast oder einem Ensemblemitglied zu tun hat.

 

K/E: Wie würdest du das Verhältnis zwischen den Hauptfiguren Hedwig und Yitzhak beschreiben?

CM: Hedwig macht mit Yitzhak das, was mit ihr das ganze Leben passiert ist: einfach nach unten treten. Er ist Roadie, Anheizer, Seelenklempner, alles mögliche für Hedwig. Und ich glaube, dass da eine Liebe ist. In irgendeiner Art und Weise auch eine Liebe von Hedwig zu Yitzhak, auch wenn es nicht DIE große Liebe ist. Eine Beziehung die sich irgendwie gefunden hat. Und die vielleicht auch weiter bestehen bleibt.

Hedwig ist keine Transfrau. Sie ist keine Person im falschen Körper, sondern sie ist eine Person, die ihr ganzes Leben lang fremdbestimmt ist. Durch ihre Mutter, deren Namen sie annimmt. Durch Luther, der sie zur Operation zwingt. Und sie ist eine Person, die, ungeachtet ihrer Sexualität, auf der Suche nach dem anderen Ich ist. Ich glaube, das ist etwas, was viele Menschen suchen.

 


Hedwig and the Angry Inch

Rock-Musical von John Cameron Mitchell und Stephen Trask 
Inszenierung: Carsten Kirchmeier
Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

Weitere Informationen, Termine und Tickets gibt es hier


Carsten Kirchmeier

Leiter Szenische Einstudierung am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen


Der Beitrag „Hedwig and The Angry Inch — Ein Interview mit Regisseur Carsten Kirchmeier“ wurde von unseren RuhrBühnen-Bloggerinnen Karoline Klotsch und Steffi Evers verfasst. 

Den Bericht über das Musical gibt es hier.

Weitere Artikel, mehr zum Blog und unseren RuhrBühnen-Blogger*innen gibt es hier.

 

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